Die neue Terra Preta - Zukunft der Landnutzung!

Terra Preta: Ein Modell für Regionales Stoffstrommanagement

Dienstag, der 28. Oktober 2008
bis Mittwoch, der 29. Oktober 2008
Kategorie: Stoffstrommanagement, Terra Preta
Vortrag von Dr. agr. Haiko Pieplow, Berlin
zum 2. Aachener Kongress
»Dezentrale Infrastruktur Wasser Energie Abfall«
am 28. und 29.10.2008
Veranstalter: Gesellschaft zur Förderung der Siedlungswasserwirtschaft
an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen

1 Einleitung

Die Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz ist eine zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Die Art und Weise, wie in den Industrienationen produziert und konsumiert wird, ist nicht nachhaltig. Das gilt insbesondere für die derzeitigen Ver- und Entsorgungsstrukturen in urbanen Räumen. Um die Ressourceneffizienz zu steigern, ist ein neues Modell der wirtschaftlichen Entwicklung erforderlich, national wie international. Schon heute zeigen viele Praxisbeispiele, dass eine nachhaltige Entwicklung möglich ist, wenn technologische, organisatorische und gesellschaftliche Innovationen Hand in Hand gehen.

Notwendig sind revolutionäre Technologiesprünge in den Kernbereichen des Ressourcenverbrauchs. In der Industrie findet dazu immer mehr ein Umdenken statt. Angestoßen von der Verteuerung und Verknappung von natürlichen Ressourcen werden die von Produktionsprozessen ausgehenden Stoff- und Energieverluste zunehmend als verschwendete Ausgaben verstanden, die ungenutzt den Produktionsprozess durchlaufen. Das hat bereits zu zahlreichen Innovationen bei der Erhöhung der Ressourceneffizienz geführt, beispielsweise zu abwasserlosen Produktionsverfahren.

Die regionale Schließung von Stoffkreisläufen in Verbindung mit der Steigerung der Energieeffizienz bietet Potentiale die bislang zuwenig ausgeschöpft werden. Insgesamt ist ein zunehmender Wandel vom medienbezogene Umweltschutz hin zum aktiven Ressourcenmanagement feststellbar. Regionales Stoffstrom- und Energiemanagement betrachtet feste, flüssige und gasförmige Emissionen als fehlgeleitete Produktionsmittel, die auch unter ökonomischen Gesichtspunkten als nutzbare Ressource angesehen werden. Regionales Stoffstrommanagement erweitert die übliche lineare Input-Output-Optimierung durch eine systemische Optimierung, die sich an den regionalen Potentialen und den Vorgaben einer nachhaltigen Entwicklung orientiert. Dadurch wird die Nachfrage nach Innovationen angekurbelt und insbesondere die regionale Wertschöpfung verbessert.

Die bis in das 19. Jahrhundert zurückreichende und als große zivilisatorische Leistung gewertete Einführung der zentralen Schwemmkanalisation und der damit verbundenen Sanitärsysteme stellt sich immer mehr als folgenschwere Fehlentwicklung für den Wasserhaushalt, den Stoffhaushalt sowie die öffentlichen Finanzhaushalte heraus. Deshalb werden zunehmend effizientere Systeme entwickelt und erprobt. Es stellt sich die Frage, ob es bereits in früheren Zivilisationen effizientere Konzepte bei der Nutzung von Ressourcen gab, die mit den gegenwärtig vorhandenen technischen Möglichkeiten aufgegriffen und weiterentwickelt werden könnten.

2 Entstehung von Terra Preta

Die Böden in den humiden Tropen sind in der Regel hochgradig verwittert und nährstoffarm. In Zentral-Amazonien kommen innerhalb von großen Arealen mit unfruchtbaren Böden kleinflächig humusreiche nachhaltig fruchtbare Böden vor, die als Indianerschwarzerden oder Terra Preta de Indio (portugiesisch für "schwarze Erde") beschrieben werden. Die Areale umfassen ca. 1 bis 350 ha, im Mittel 20 ha. Es wird geschätzt, dass mehr als 10 Prozent Amazoniens mit Terra Preta bedeckt sind. Die Radiokarbondatierungen ergaben, dass die Böden in der Zeit vor 7000 bis vor 500 Jahre entstanden sind. Terra Preta kann bis mehrere Metern mächtig auftreten.

Die Terra Preta wird bis heute durch Farmer genutzt, jedoch ist das Verfahren zu ihrer Herstellung in Vergessenheit geraten. Die Rodung von Wäldern und landwirtschaftliche Nutzung der tropischen Böden führen bei Jahresdurchschnittstemperaturen von 25 Grad Celsius und Jahresniederschlägen von mehr als 2000 mm normalerweise zu einem beträchtlichen Humusabbau und Nährstoffauswaschungen. Die hohe nachhaltige Fruchtbarkeit der Terra Preta steht dazu im Widerspruch.

Als die spanischen Eroberer im 16. Jahrhundert das Amazonasbecken durchquerten, berichteten sie von großen Städten und einer weitaus höheren Bevölkerungsanzahl, als heute in dem Gebiet leben. Es wird davon ausgegangen, dass es bei der Entstehung von Terra Preta einen engen Zusammenhang zwischen einer leistungsfähigen Agrarproduktion und einem effektiven Sanitärsystem gibt. Dieser Zusammenhang ist für die Entwicklung von stabilen urbanen Strukturen unter tropischen Klimabedingungen von besonderer Bedeutung.

Charakteristisch für die Terra Preta sind hohe Humus- und Nährstoffgehalte sowie über das ganze Bodenprofil verteilte Tonscherben. Die Terra Preta ist eine anthropogene Bodenform, für die keine Entsprechung in der Natur bekannt ist. Terra Preta kann bis zu 250 t/ha organischen Kohlenstoff aufweisen. Die Kationenaustauschkapazität sowie die Stickstoff- und Phosphorgehalte sind deutlich höher als bei den umgebenden Böden. Auffällig ist der 70-mal höhere Gehalt an chemisch und biologisch inerten Kohlenstoff (Black carbon). Es wurden bis zu 50 t/ha festgestellt. Tropische Waldböden weisen einen Gehalt an organischen Kohlenstoff von etwa 120 t/ha auf. Boreale Wälder liegen mit mehr als 250 t/ha organischen Kohlenstoff deutlich darüber. Bei landwirtschaftlicher Nutzung geht der Gehalt an organischen Kohlenstoff üblicherweise auf ca. 100 t/ha zurück. Der Gehalt an organischem Kohlenstoff hat für die Bodenfruchtbarkeit und die Wasserspeicherungsfähigkeit von Böden eine entscheidende Bedeutung.

Es wird vermutet, dass die Entstehung von Terra Preta in Amazonien das Ergebnis einer nachhaltigen Landnutzung ist, bei der ein besonderes, in Vergessenheit geratenes Verfahren zur Rückgewinnung von Kohlenstoff und Nährstoffen aus menschlichen Exkrementen eine wichtige Rolle spielt. Charakteristisch für Terra Preta ist dabei der sehr hohe Black carbon Anteil, der durch Brandrodung nicht plausibel erklärbar ist. Als Bestandteile der Terra Preta konnten Holzkohle, menschliche und tierische Exremente, Lebensmittelabfälle, Aschen sowie terrestrische und aquatische Biomasse nachgewiesen werden.

Die ehemaligen Ureinwohner haben mit großer Wahrscheinlichkeit statt Felder, hochproduktive Waldgärten angelegt und nachhaltig bewirtschaft. Abgeleitet von archäologischen Funden und darauf aufbauenden Experimenten kann angenommen werden, dass der Eintrag der großen Mengen an Holzkohle in den Boden über die Sanitärsysteme erfolgt ist. (...).

3 Chancen für eine nachhaltige Landnutzung

Die Terra Preta könnte die Landnutzung in den humiden und ariden Tropen nachhaltig verändern. Darüber hinaus lassen die bisherigen Versuche zur Herstellung von Terra Preta hoffen, dass diese nachhaltig fruchtbaren Böden auch unter mitteleuropäischen Klimaverhältnissen hergestellt werden können. Voraussetzung dafür ist jeweils ein nachhaltiges Landnutzungssystem, bei dem im Interesse der Wirtschaftlichkeit durch ein regionales Stoffstrommanagement kleinräumig Nährstoffkreisläufe geschlossen werden können. (...).

In der Morbacher Energielandschaft (Rheinland-Pfalz) planen Unternehmen in Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtung eine Anlage zu Herstellung von Ausgangsstoffen für Terra Preta. Als Ausgangsmaterial sollen Gärsubstrate aus den dort vorhandenen Biogasanlagen sowie Reststoffen aus der umliegenden Landwirtschaft und Grünschnitt aus der Landschaftspflege verwendet werden.

Eine weitere Möglichkeit zur Herstellung von Terra preta wird am Umwelt-Campus Birkenfeld (Rheinland-Pfalz) untersucht. Dort soll ein innovatives Brauch- und Abwasserkonzept umgesetzt werden. Vorgesehen sind eine Gelb-, Schwarz- und Grauwassertrennung sowie die Vergärung der Schwarzwasserfraktion in einer Biogasanlage. Die Nährstoffrückgewinnung, insbesondere aus den Fermentationsrückständen der Biogasanlage, soll durch die Herstellung von Terra Preta erfolgen. Die Nährstoffe sollen dann durch die Energiepflanzen genutzt werden, die zur Energieversorgung des Umwelt-Campus beitragen.

Durch die Wiederentdeckung der Herstellung von Terra Preta ergeben sich vielfältige Chancen für eine nachhaltige Landnutzung. Durch die Einlagerung von großen Mengen an inerten Kohlenstoff, kann sowohl die Flächenproduktivität dauerhaft erhöht, als auch Ressourceneffizienz und der Klimaschutz deutlich verbessert werden. Insbesondere könnten durch eine effizientere Bodennutzung zukünftig die derzeitigen Verluste an organischem Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphor und Wasser produktiv zur regionalen Wertschöpfung beitragen.

Es ergeben sich interessante Optionen, die Wasserver- und entsorgung mit der Erzeugung von Energiepflanzen und Lebensmitteln wieder stärker mit den wachsenden urbanen Strukturen zu verzahnen.

4 Zusammenfassung und Ausblick

Durch die bisherige inter- und transdiziplinäre Zusammenarbeit von verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen sowie Unternehmen konnten die Grundprinzipien der Herstellung von Terra Preta weitgehend aufgeklärt werden. Für die breite wirtschaftliche Nutzung der Terra Preta besteht jedoch noch weiterer Forschungsbedarf. Um eine wirtschaftliche Umsetzung der Erkenntnisse zu beschleunigen, sollte die inter- und transdiziplinäre Zusammenarbeit national und international weiter ausgebaut werden.

Die Wiederentdeckung der Herstellung von Terra Preta eröffnet die Möglichkeit, die Landnutzung in den Tropen, aber auch in den gemäßigten Klimazonen langfristig nachhaltig umzugestalten. Die Terra Preta ist ein Ergebnis eines regionales Stoffstrommanagements, durch das insbesondere umweltbelastende Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphorverluste reduziert werden könnten.

Durch die langfristige Einlagerung von großen Mengen an chemisch und biologisch inerten Kohlenstoff in die Terra Preta Böden, kann die Flächenproduktivität nachhaltig gesteigert und ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und zur Verbesserung der Ressourceneffizienz geleistet werden.

Mit der Wiederentdeckung der Herstellung von Terra Preta eröffnen sich neue Perspektiven und Chancen für die Entwicklung von nachhaltigen Landnutzungssystemen, insbesondere in urbanen Räumen.

Literatur

BMU (2006): Umwelt und Innovation:
Dokumentation der Fachkonferenz am 30.10.2006, Berlin

BMU (2007): Strategie Ressourceneffizienz, Impulse für den ökologischen und ökonomischen Umbau der Industriegesellschaft, Berlin

Dockhorn, T. (2007): Stoffstrommanagement und Ressourcenökonomie
in der kommunalen Abwasserwirtschaft, Inst. f. Siedlungswasserwirtschaft,
TU Braunschweig, Heft 74

Glaser, B., Haumaier, L., Guggenberger, G., Zech, W. (2001):
The Terra Preta Phenomenon: a model for sustainable agriculture in the humid tropics. Naturwissenschaften 88, 37-41

Glaser, B. (2007): Prehistorically modified soils of central Amazonia:
a model for sustainable agriculture in the twenty-first century.
Phil. Trans. R. Soc. B 362, 187–196

Lal, R. (2004): Soil carbon sequestration impact on global climate and food security. Science 304, 1623-1627

Anschrift des Verfassers

Dr. agr. Haiko Pieplow

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
 und Reaktorsicherheit

Referat »Umwelt und Wirtschaft, Innovation und Beschäftigung«

Alexanderstraße 3

11055 Berlin


Tel.: +49. 30. 18 305-2231

E-Mail: haiko.pieplow@bmu.bund.de